Rückblick: vier Tiefgaragengroßbrände 1985 in der Ortsmitte

An jedem letzten Freitag eines Monats wollen wir Rückblick halten auf ein interessantes Thema aus der Geschichte der Ottobrunner Feuerwehr. Wir starten diese Serie mit einer Serie von Großbränden, die Ottobrunn vor genau 35 Jahren in Atem hielt.

1985 brannte es viermal in der großen Tiefgaragenanlage unter der Ortsmitte. Der damalige Bürgermeister Dr. Horst Stähler-May summierte in einem Pressegespräch nach dem vierten Brand: 16 total ausgebrannte Autos, 80 völlig verrußte Karossen und Gebäudeschäden von rund zwei Millionen Mark. Die Zeitung berichtete, dass er ratlos und hilflos voller ohnmächtigen Zorn den Täter als „irren Psychopathen“ bezeichnete. Es ging um viel mehr als nur um den Sachschaden – zum Glück gab es bei keinem der Brände Verletzte. Es ging um die neue Ortsmitte und ihrem noch sehr fragilen Selbstverständnis. „Wer möchte schon wohnen und arbeiten, wo es dauernd brennt?“ stellte er sich die Frage. Die Wohnungen sind erst zu Hälfte bezogen, neue Interessenten werden abgeschreckt durch diese negativen Schlagzeilen. Insbesondere weil man mit den Wohnungen einen Tiefgaragenstellplatz mit erwarb, und Bewohner kurz nach dem Einzug erleben mussten, wie ihre Autos zum Totalschaden wurden. Die alten Zeitungsberichte vermitteln den Eindruck, dass die Ortsmitte sehr umstritten war und von manchen Mitbürgern als Konkurrenz und Bedrohung der etablierten Geschäftswelt gesehen wurde.

Los ging es am Freitag 8. März um 6.07 Uhr. Die Ortsmitte war noch eine halbe Baustelle, einige Fahrzeugbesatzungen mussten beim Anrücken mit Bolzenschneidern Bauzäune öffnen, um die Einsatzstelle von allen Seiten zu erreichen.  Bewohner, die morgens zur Arbeit fahren wollten, standen vor einer dichten Rauchwand. Der Angriffstrupp stellte schnell fest, dass das Brandschutztor zur unteren Ebene geschlossen war. Da er in der oberen Ebene keine Hitzequelle spürte und sich keine Rauchthermik zeigte, vermutete man das Feuer auf der unteren Ebene.

Der Trupp sah vor lauter dichten schwarzen Rauch kaum die Hand vor den Augen – Wärmebildkameras waren damals noch nicht vorhanden. Wegen der Länge des Parkdecks von etwa 250 Metern entschloss sich die Einsatzleitung, dem Erkundungstrupp im oberen Deck die B-Haspel mitzugeben, um im Fall einer Brandstelle den Verteiler zu setzen und den mitgenommenen C-Schlauch anzukuppeln. Der Autor, der zu diesem Dreier-Trupp gehörte, erinnert sich. “Wir hängten uns mit den Karabinerhaken am kurzen Seil des Feuerwehrgurts zusammen, um den Kontakt nicht zu verlieren. Auf dem ganzen Weg zum anderen Ende des Parkdecks sahen wir nichts außer dichtem Rauch und spürten keine Hitzeentwicklung. Auf dem Rückweg orientierte ich mich als äußerer Kamerad  an den Heckkonturen der geparkten Autos. Plötzlich ertastete ich eine eingeschlagene Heckscheibe an einem Porsche. Dadurch aufgeschreckt, kontrollierten wir mehr tastend als sehend die benachbart stehenden Fahrzeuge. Genau gegenüber stießen wir auf drei nebeneinander stehende ausgebrannte Pkw. Das Feuer war bereits erloschen, die Nachlöscharbeiten übernahm unsere Ablösung.“

Alarmiert waren zur Unterstützung die Wehren aus  Neubiberg und Unterhaching sowie die Werkfeuerwehr MBB-IABG. Die 35 Ottobrunner Feuerwehrler setzten bis 9.39 Uhr 16 Preßluftatmer, ein C-Rohr und zwei Be- und Entlüftungsgeräte ein.

In der Nacht auf Donnerstag 2. Mai um 2.02 Uhr fuhr die Feuerwehr mit 25 Einsatzkräften zur Tiefgarage. Der Brand von zwei Pkw war wohl schnell bekämpft, denn der Einsatzbericht sagt, dass bereits 50 Minuten später wieder alle Fahrzeuge im Gerätehaus einrückten.

Durch die zwei Brände waren alle Kameraden nervös, ob nach der Freigabe der Tiefgarage zur Nutzung wieder etwas passieren würde. Und nach nur wenigen Tagen rief der Alarm am Donnerstag 25. Juli um 5.43 Uhr zu nächsten Brand. Es brannten fünf Fahrzeuge aus, etwa 50 Pkw erlitten Schäden durch Hitze und Rauch. 33 Ottobrunner setzten im fast dreistündigen Einsatz 16 Preßluftatmer und zwei C-Rohre ein. Die Gerätewarte leuchteten am Vormittag mit dem Rüstwagen für die Brandfahnder die Einsatzstelle aus.

Während der Instandsetzungsphasen gab es ein großes Parkchaos in der zudem von Baustellen durchsetzten Ortsmitte, denn die Bewohner nutzten nun die Parkplätze, die eigentlich den Geschäftsbesuchern vorbehalten waren. Dementsprechend war die Stimmung angespannt. Den Feuerwehrleuten war bekannt, dass die Garage am 1. Dezember wieder offiziell zur Nutzung vorgesehen war. Groß war die Nervosität, ob denn nicht schon wieder … Daher traf die nächtliche Alarmierung bereits am Montag 25. November um 2.13 Uhr die Kameraden völlig überraschend. Wegen starker Schneefälle hatte man vorzeitig die Tiefgarage wieder geöffnet und unmittelbar darauf schlug der Brandstifter zu. Es wurde wieder eine Materialschlacht bis kurz nach 7 Uhr morgends. Für Ottobrunn alleine listet der Einsatzbericht auf: 44 Einsatzkräfte, 21 Preßluftatmer, 3 C-Rohre, 25 B- und 13 C-Schläuche sowie zwei Stromerzeuger. Die Feuerwehr Neubiberg stellte weitere Atemschutzkräfte.

Die Wehren kämpften mit starker Hitze- und Rauchentwicklung, weil vier Pkw in Vollbrand standen. In der engen langen Röhre einer Tiefgarage können Hitze und Rauch nicht nach oben steigen. Die Atemschutztrupps müssen dagegen ankämpfen und kommen kaum gegen die äußerst hohen Temperaturen voran. Nach etwa 20 Minuten war der Atemluftvorrat im Preßluftatmer  verbraucht und die Trupps mussten wieder zurückgekommen sein. Von der Berufsfeuerwehr München forderte man zur Unterstützung zur Entrauchung deren Wechsellader mit Abrollbehälter Be- und Entlüftung an. Dessen für damalige Verhältnisse sehr leistungsfähigen Lüfter schafften 180 m³/Minute.

Laut den Zeitungs- und Einsatzberichten gab es im Bereich der Ortsmitte neben diesen Tiefgaragenbränden noch vier kleinere Brände, so dass im Sommer eine Belohnung von 13.000 DM für Hinweise ausgelobt wurde. Ein Täter wurde nach Wissen der Feuerwehr nie ermittelt. Nach dem letzten Brand im November 1985 riss die Serie zum Glück ab.

Als Reaktion auf die Brandserie und die speziellen Gegebenheiten der ausgedehnten Tiefgaragenanlagen unter der Ortsmitte beschaffte die Ottobrunner Feuerwehr 1986 vier Kreislaufgeräte. Was woanders längst ausgemustert wurde, weil die modernen Preßluftatmer viel angenehmer einzusetzen waren, feierte in Ottobrunn Renaissance. Denn diese Geräte erlaubten eine Einsatzzeit von etwa zwei Stunden, weil die Ausatemluft nicht ins Freie strömte, sondern im Gerät im Kreislauf gereinigt und wieder mit Sauerstoff angereichert wurde. Die früher unter dem Begriff „Heeresatmer“ oder der Firmenbezeichnung „Travox“ bekannten Geräte waren bei der  Bergwerksrettung Standard und Jahrzehnte zuvor bei den großen Feuerwehren üblich gewesen. Die vier Geräte baute man im TLF 16 ein. Als die Hersteller Preßluftatmer mit größeren Fassungsvermögen für Luft und eine Einsatzzeit von etwa einer Stunde auf den Markt brachten, sonderte die Ottobrunner Feuerwehr ab 1996 die wartungs- und ausbildungsintensiven Kreislaufgeräte wieder aus.

Das Foto von FIRE Foto Thomas Gaulke zeigt die enorme Rauchentwicklung beim letzten Brand am 25.11.1985, die aus der Einfahrt zur Tiefgarage strömt. Darin tauchten die Atemschutzgeräteträger ein und kämpften sich gegen die Hitze vor bei der Suche nach der Brandstelle in der zweistöckigen und 250 Meter langen Anlage.

Aus der Tiefgarage quillt der dunkle Rauch. Der zurückgekehrte, vom Ruß verdreckte Atemschutztrupp gibt Einsatzleiter und damaligem stellvertretendem Kommandanten Erwin Ettl seine Rückmeldung. Links davon warten Neubiberger Atemschutzträger auf ihren Einsatzbefehl.

So sah ein sehr erschöpfter Atemschutzträger aus nach dem Einsatz in der brennenden Tiefgarage. Nicht nur Helm und Einsatzjacke sind stark verdreckt vom Rauch und Ruß, auch Ohren, Hals und Nacken.

Der Brand ist gelöscht, der Rauch wird abgesogen. Die Elektroinstallationen hängen geschmolzen herunter, die Autos sind ausgebrannt, Beton ist von der Decke abgeplatzt und an den Wänden klebt eine dicke Rußschicht.

8-mal Atemschutz für sechs Einsatzkräfte im TLF 16: je zwei Preßluftatmer in der Kabine und im vorderen Geräteraum. Hinten lagen die vier neuen Kreislaufgeräte.