Vor 10 Jahren zur Hilfe in unserer Partnergemeinde Mandelieu-La Napoule

Als ein Unwetter am 3.10.2015 schlimmste Schäden an der Côte d’Azur verursachte, rückte die Ottobrunner Feuerwehr ohne zu Zögern zur Hilfe nach Südfrankreich aus. Der Bericht über einen ganz besonderen Einsatz in seiner Chronologie:

Samstag, 3.10.2015

Am Abend ergossen sich über einem etwa 30 Kilometer langen Küstenabschnitt in der Region Cannes heftigste Regenmassen. Es heißt, in drei Stunden sei die Regenmenge von zwei Monaten gefallen. Die Flüsse aus dem Küstengebirge traten innerhalb weniger Minuten über die Ufer. Wassermassen rauschten quer durch Erdgeschosswohnungen und Geschäfte. Sie fluteten Tiefgaragen sowie Straßen- und Bahnunterführungen. Autos wurden mit und ohne Insassen wie Spielbälle in den Fluten weggeschwemmt. Noch viel schlimmer als der immense Schaden: In Mandelieu-La Napoule und in der Region starben laut Medienberichten 21 Menschen. Einige wollten ihre Autos vor den einströmenden Wassermassen aus Tiefgaragen holen und ertranken in dem rasch steigenden Wasser.Die Wassermassen haben mehrere Pkw mit sich gerissen und in eine Tiergaragenabfahrt geschwemmt.

Sonntag, 4.10.2015

Deutsche Medien berichteten im Radio und in der Tagesschau von der Unwetterkatastrophe. Dabei fiel der Name der Gemeinde Mandelieu-La Napoule als einer der am schlimmsten betroffenen Orte. Kommandant Eduard Klas bat einen französisch sprechenden Kameraden, Kontakt mit dem Leiter der befreundeten Jugendfeuerwehr aufzunehmen. Die Franzosen berichteten von apokalyptischen Zuständen, von dramatischen Rettungsaktionen, von tausenden stromlosen Haushalten und mehreren Toten. Auf die aus kameradschaftlicher Verbundenheit und als Geste der Solidarität mit der Partnergemeinde gestellte Frage nach Unterstützung hörte man einen dringenden und verzweifelten Hilferuf. Besonderen Bedarf habe man an Pumpentechnik. Ihre für Waldbrände geeigneten kleinen Pumpen weisen nicht die Leistungsfähigkeit auf, wie die in Deutschland gebräuchlichen Tragkraftspritzen.

Nach Rücksprache mit dem Kreisbrandrat und Einholen der Genehmigung von Bürgermeister Loderer lief der Hilfseinsatz an. Die Beladung des Abrollbehälters Schlauch wurde ergänzt. Zu den beiden Tragkraftspritzen kamen drei Tauchpumpen, eine Schmutzwasserpumpe, ein Stromerzeuger 5 kVA sowie Beleuchtungsmaterial hinzu. Angehängt wurde am Wechsellader zur Stromversorgung ein 40 kVA-Generatoranhänger mit großem Lichtmast. Als Führungsfahrzeug fungierte das Kleinalarmfahrzeug, das über weiteres Material sowie einen eingebauten Stromerzeuger verfügt. Um 13.25 Uhr, also nur zwei Stunden nach dem Telefonat, starteten sieben Einsatzkräfte zu dem 890 km entfernten Ziel.

Die 1. Gruppe unter Leitung von Kommandant Eduard Klas stand vom 4. bis 6.10.2015 in Südfrankreich im Einsatz. Auf dem Foto auch zwei französische Einsatzkräfte.

Montag, 5.10.2015

Auf der stundenlangen Fahrt durch die Nacht plagten Klas immer wieder Zweifel, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat. Hatte man im Telefonat die Situation richtig verstanden? Braucht die „Grande Nation“ wirklich Hilfe? Als die Ottobrunner um 2.00 Uhr eintrafen, erkannten sie schnell: es ist noch viel schlimmer als befürchtet. Die erschöpften französischen Kameraden erwarteten sie händeringend und lotsten sie unverzüglich zu einer Wohnanlage. Dort gibt es mehrere Tiefgaragen, die immer noch randvoll mit Wasser gefüllt waren. Man vermisste Bewohner und befürchtete, dass diese in der Tiefgarage ertrunken sind. Beide Tragkraftspritzen und die Tauchpumpen begannen, den Wasserstand abzusenken. Mittags wurde aus Befürchtung traurige Gewissheit. Als die Ottobrunner die leergepumpte Garage durchsuchen konnten, fanden sie einen Toten.

Klas hielt Kontakt mit seinem zu Hause gebliebenen Stellvertreter Klaus Ortmeier, denn zwei Punkte waren klar: Die Hilfe wird noch länger gebraucht, und die Mannschaft muss zügig ausgetauscht werden. Den sieben erschöpften und völlig übermüdeten Kameraden konnte man eine etwa 10-stündige Heimfahrt nicht zumuten. So entstand der ungewöhnlicher Plan zum Personalaustausch mit dem Flugzeug. In Ottobrunn bemühten sich mehrere Kameraden, kurzfristig für den nächsten Morgen sieben Sitzplätze in einem Flugzeug nach Nizza zu finden und zugleich sieben Heimflüge für den Abend zu buchen.

Über 2000 Liter Schmutzwasser je Minute pumpten die Tragkraftspritzen der Ottobrunner Feuerwehr aus den Tiefgaragen heraus.

Die Anspannung und Erschöpfung sieht man ihnen an: Kommandant Eduard Klas bespricht die Maßnahmen mit Didier Holton, dem Leiter der mit uns befreundeten Jugendfeuerwehr.

Dienstag, 6.10.2015

In der Früh ging es zu einer großen Wohnanlage: Dort waren seit Samstag Abend mehr als 1000 Einwohner ohne Strom, denn die Zentrale der Energieversorgung befand sich in der überfluteten Tiefgarage. Als schnellsten Weg, diese auspumpen, sahen die Franzosen die beiden deutschen Tragkraftspritzen, die jeweils über 2000 Liter je Minute pumpen. Die Bevölkerung war mehr als froh über die deutsche Hilfe. Auch wenn die Sprachbarriere groß ist, die Gesten der Dankbarkeit versteht man trotzdem. An ihrer Einsatzstelle versammelte sich gerne die Presse. So waren die Ottobrunner Einsatzfahrzeuge in den französischen Hauptnachrichten landesweit im Fernsehen zu sehen.

Wo das Wasser abgelaufen ist, blieb Schlamm zurück. Journalisten von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen besuchten die Einsatzstellen, an denen die Ottobrunner tätig waren.

Um 15.30 Uhr traf die Ablösung unter Leitung von stellvertretendem Kommandanten Klaus Ortmeier ein. Die eine Kameradin und sechs Kameraden wechselten bald den Einsatzort. Der neue Einsatzauftrag klang etwas seltsam: Auf dem Golfplatz war durch die Flutwelle ein neuer See von etwa 300 Metern Länge, 50 Meter Breite und geschätzt 1,5 Metern Tiefe entstanden. Mandelieu lebt vor allem vom Tourismus, Golf hat dabei einen hohen Stellenwert. Daher musste ein Schaden an der für den Fremdenverkehr so wichtigen Einrichtung abgewendet werden. Bleibt das Wasser zu lange stehen, ertrinken die empfindlichen Rasenpflänzchen und der Platz müsste für längere Zeit schließen. In der Nacht wurden etwa drei Millionen Liter Wasser in das nahe liegende Bachbett umgepumpt.

Die 2. Gruppe unter der Leitung von stellvertretendem Kommandanten Klaus Ortmeier hatte am letzten Tag, dem 8.10.2015, hochrangige Führungskräfte der Feuerwehr des Départements Alpes-Maritimes zu Besuch.

Mittwoch, 7.10.2015

Am Morgen lotsten die Franzosen die Ottobrunner zu einer zweistöckigen Tiefgarage unter einem großen Wohnblock. Bis Donnerstag Nachmittag wurden dort sieben Millionen Liter abgepumpt. Da nicht alle Einsatzkräfte den Betrieb der Pumpen überwachen müssen, konnten sie sich in Schichten für ein paar Stunden auszuruhen.

Mit einer Wathose geschützt, ging eine Einsatzkraft in die Tiefgarage hinein, um die Tauchpumpen und Saugkörbe der Tragkraftspritzen zu kontrollieren und von Verschmutzungen zu befreien.

Donnerstag, 8.10.2015

Auch für die zweite Gruppe stellte sich die Frage nach der Rückfahrt. Die Alternativen lauteten: Abbruch der Pumparbeiten am frühen Morgen, damit die Kameraden Schlaf finden. Denn so übermüdet wie sie sind, sollten sie aus Sicherheitsgründen eine 12-stündige Autofahrt nicht antreten. Allerdings wäre es eine Entscheidung gegen die inständige Bitte der Franzosen um Fortsetzung der Hilfe gewesen. Oder Rückflug am Abend, um etwa 10 Stunden länger helfen zu können. Die Entscheidung fiel für den Flug. Dieses Mal sponserte auf Vermittlung eines Ottobrunner Gemeinderates die Lufthansa einen Teil der Flugkosten. Die restlichen Kosten übernahmen die Gemeinde aus dem Etat für Gemeindepartnerschaften sowie der Feuerwehrverein.

In Ottobrunn brach am frühen Donnerstag Morgen ein Team aus sechs Maschinisten nach Südfrankreich auf. Ihr Auftrag war es, die Fahrzeuge zurückzuholen. Nach der Übergabe, einem sorgfältigen Fahrzeugcheck und einem Abendessen starteten sie um 19.30 Uhr in Mandelieu die Heimfahrt.

Freitag, 9.10.2015

Um 9.17 Uhr rückten die Fahrzeuge wieder ein. Damit endete der bislang längste und weiteste Einsatz in der Geschichte der Ottobrunner Feuerwehr. Er dauerte 142 Stunden und 43 Minuten. Vor Ort eingesetzt waren 20 Kameraden: sieben je Gruppe und sechs für die Rückfahrt der Fahrzeuge. Die beiden Tragkraftspritzen liefen 42,3 Stunden und etwa 40 Stunden. Der Generatoranhänger produzierte an 72,4 Stunden Strom. Die Fahrzeuge hatten am Schluss zwischen 1779 und 1902 Kilometer mehr auf dem Tacho.

Einsatz, wo Andere Urlaub machen. Die Ottobrunner Feuerwehr stand vom 4. bis 8. Oktober 2015 im Einsatz in ihrer Partnergemeinde Mandelieu-La Napoule.