Einen sehr fleißigen Schutzengel hatte ein Lkw-Fahrer bei einem heftigen Auffahrunfall auf der Autobahn A 99 am 30.11.2017
Als Kommandant Eduard Klas die Einsatzstelle auf der A 99 kurz nach der Auffahrt in Richtung Nürnberg bereits fünf Minuten nach dem Alarm erreichte, sah er einen stark verformten Sattelzug, der auf der rechten Fahrspur und der Standspur auf einen Kiessattelzug aufgefahren war. Die Kabine war linksseitig vollständig zusammengeschoben und gegen die Aufliegerwand gepresst. Eine Person lag schwer verletzt am Boden neben der Leitplanke.
Während weitere 27 Einsatzkräfte mit dem Rüstzug aus HLF 20, Wechsellader Rüst, LF 16/12 sowie LKW mit Verkehrssicherungsanhänger und dem ELW auf der Anfahrt waren, legte er vier Schwerpunkte fest und erteilte dementsprechend die Einsatzaufträge an die Fahrzeugführer:
- Verletzten betreuen
- Personen im Fahrerhaus suchen
- Arbeitsplatz schaffen
- Einsatzstelle gegen den Verkehr absichern
Der schwer verletzte Fahrer hatte sich selber durch die geborstene Frontscheibe aus der völlig deformierten Kabine retten können. Um ihn kümmerten sich Ersthelfer eines Fahrzeuges der Johanniter-Unfall-Hilfe sowie ein Hohenbrunner Feuerwehrkamerad. Dieser arbeitete an einem Gebäude in unmittelbarer Nähe der Autobahn und war, aufgeschreckt durch die Unfallgeräusche, zusammen mit seiner Frau auf kürzestem Weg die Böschung heruntergeschlittert. Der First Responder der FF Ottobrunn, der Rettungsdienst und der im Ottobrunner Gerätehaus stationierte Notarzt versorgten den Lkw-Fahrer. Er wurde mit dem Rettungswagen in ein Krankenhaus eingeliefert.
Von außen war nicht zu erkennen, ob der Fahrer alleine unterwegs war. Seine Befragung blieb wegen Sprachproblemen und seinen Verletzungen ergebnislos. Daher spreizte die Besatzung des HLF 20 mit dem Rettungsspreizer die Beifahrertüre auf. Hierbei bewährte sich weder einmal die Entscheidung für ein akkubetriebenes Gerät. (Dessen Mehrkosten hatte der Feuerwehrverein aus Förderbeiträgen und Spenden übernommen.) Bei einem Gerät mit Hydraulikleitungen wäre der Weg zwischen Einsatzfahrzeug und Einsatzstelle länger als die Leitung gewesen. Das Hydraulikpumpenaggregat hätte aus dem HLF 20 ausgeladen und personalintensiv in Stellung gebracht und eine Stromversorgung verlegt werden müssen. So aber schuf eine Einsatzkraft in wenigen Sekunden den Zugang in die Kabine. Eine schlanke Führungskraft kletterte in das Wrack und suchte auf den Liegen, an den Sitzen und im Fußraum nach möglichen Beifahrern – ohne jemanden zu finden. Nachdem man sich nun sicher war, dass keine Person eingeklemmt war, konnte der wegen der Einsatzmeldung sofort mitalarmierte und auf der Anfahrt befindliche Kranwagen der Berufsfeuerwehr München abbestellt werden.
Der aufgefahrene Lkw hing im Heck des Kippsattelaufliegers. Für eine mögliche Menschenrettung musste jedoch Platz geschaffen werden, unter anderem für den Einsatz der Seilwinde von Kranwagen oder Wechsellader. Die Lösung lag darin, den vorderen Lkw nach vorne wegzufahren. Für den Fall, dass dieses wegen der Beschädigungen am Auflieger nicht aus eigener Kraft funktionieren würde, wäre der Wechselader vor die Kippsattelzugmaschine rangiert und hätte seine 80 kN ziehende Seilwinde zum Einsatz gebracht. Nachdem der hintere Lkw mit Radkeilen gegen Wegrollen gesichert war, gelang es einer Einsatzkraft, den vorderen Lkw in Zusammenwirken mit dessen Fahrer um einige Meter nach vorne zu fahren. Währenddessen bereiteten einige Kameraden die Rettungsplattform vor. Im Ergebnis der Personensuche im Fahrerhaus waren diese in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen nicht mehr erforderlich.
Da für mögliche Rettungsmaßnahmen die Autobahn komplett gesperrt werden musste, forderte Einsatzleiter Klas die Feuerwehr Brunnthal nach für die Absicherung der Einsatzstelle und die Ausleitung des Verkehrs an der Anschlussstelle Ottobrunn. Als sich herausstellte, dass keine weitere Person zu retten ist, brauchte diese Absicht nicht mehr umgesetzt werden. Der Verkehr konnte einspurig an der Unfallstelle vorbeigeleitet und die FF Brunnthal wieder aus dem Einsatz herausgelöst werden.
Die weiteren Maßnahmen, die bei Unfällen dieser Art zu den Standartaufgaben gehören, liefen bereits während der Erkundungsphase an: Sicherstellung des Brandschutzes mit Schnellangriff und Pulverlöscher vom HLF 20, Abstreuen auslaufender Betriebsstoffe Diesel und Öl mit Ölbindemittel, Absichern der Einsatzstelle mit dem Verkehrssicherungsanhänger und Verkehrswarnmaterial, Kontrolle der Ladungen der beiden Lkw. Der vordere hatte Erde geladen, der hinter Stückgut. Eine Inaugenscheinnahme durch Öffnen der Aufliegertüren und der Plane ergab, dass es sich vor allem um Maschinenteile handelte und keine gefährlichen Stoffe transportiert wurden. Nach Abschluss der Erstmaßnahmen konnte die Einsatzstelle an die Autobahnmeisterei und die Polizei übergeben werden. Exakt eine Stunde nach dem Alarm rückte die Ottobrunner Feuerwehr wieder ein und die Einsatzkräfte konnten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.