Wo alle anderen alles ablegen ging die Feuerwehr mit der Schutzkleidung zum Schwitzen. Warum? Denn das Einkaufen einer neuen Feuerwehr-Schutzkleidung läuft ganz anders ab als der Einkauf eines neuen Anzugs.

Im Kaufhaus geht der erste Blick auf Farbe, Muster und Form der Knöpfe. Dann probiert man, ob sitzt, was einem gefallen hat. Bei der Feuerwehr geht um es um den mehrlagigen Aufbau des Gewebes, die Hitze- und Dampfsperren, die Materialien, die Schutzpolster, den Schnitt der Taschen, die Anerkennung der Reflexstreifen in Art, Farbe, Anordnung und Anzahl als Warnkleidung. Und noch ein paar Punkte mehr. Und erst ganz zum Schluss stellen sich die Fragen nach der Optik und die Farbe.

Daniel Modrow, der Leiter der Kleiderkammer, wälzte Prospekte, las Produktbeschreibungen im Internet und hörte sich die Anpreisungen der Schutzkleidungshändler für ihre Produkte an. Trotzdem muss man sich ein eigenes Bild machen. Da geht es dann nicht um Schnitt und Farbe. Gemeinsam mit seinem Team der Kleiderkammer tüftelte er an einer intensiven Evaluierung als Entscheidungsgrundlage.

Daher beschaffte man nach einer Vorauswahl fünf verschiedene Schutzkleidungen und gab diese für Tragetests an Kameraden aus. Diese erprobten die Modelle über zwei Monate im zweiwöchigen Wechsel während des Einsatz- und Übungsdienstes. Nach jedem Austausch mussten sie einen Fragebogen ausfüllen, Schulnoten vergeben und dabei als Referenz auch die bisher noch getragene Schutzkleidung mit bewerten.

Der Fragebogen befasste sich mit Bewegungsfreiheit, der Passform, Gefühl beim Tragen eines Atemschutzgerätes, der Ausstattung mit Polsterung und mit Taschen, dem Lagenaufbau zum Schutz vor Wärme, Kälte, Wind und Wasser sowie der Atmungsaktivität und dem Tragegefühl. Zuletzt durfte jeder seine Meinung äußern, ob er die getestete Kleidung für den Einsatzdienst empfehlen würde.

„Im Einsatz vertrauen meine Kameradinnen und Kameraden zu 100 Prozent auf ihre Schutzkleidung. Die darf sie und ihn in extremen Situationen nicht im Stich lassen. Das Auswahlverfahren lässt keinen Platz für Kompromisse“ stellt Modrow seine Erwartung klar. Daher prüften 11 Kameradinnen und Kameraden letztes Jahr am 6. Februar einen ganzen Samstag lang die Schutzkleidungskandidaten in extremen Situationen.

10 Kameradinnen und Kameraden testeten fünf verschiedene Modelle an Schutzkleidungen. Ganz links steht Daniel Modrow, Leiter der Kleiderkammer, in der bislang getragenen Schutzkleidung.

10 Kameradinnen und Kameraden testeten fünf verschiedene Modelle an Schutzkleidungen. Ganz links steht Daniel Modrow, Leiter der Kleiderkammer, in der bislang getragenen Schutzkleidung.

Noch vor dem Frühstück ging es zum Aufwärmen für jeweils 10 Minuten in die Sauna und das Dampfbad des Phönixbades – und zwar in kompletter Schutzkleidung. Das Gegenteil mussten die Kameraden im Gerätehaus über sich ergehen lassen. Dort wartete die auf minus 18 Grad eingestellte Kühlzelle auf die Aspiranten. Mit einem Infrarotthermometer und einer Wärmebildkamera wurden jeweils die Temperaturen auf der Jackenoberfläche und nach dem Öffnen auf dem T-Shirt auf der Brust gemessen. Tragekomfort und Bequemlichkeit standen an der nächsten Station auf dem Bewertungsbogen. Spannt es, zwickt es, scheuert es, platzt eine Naht, wenn man verschiedene Geräte aus einem Löschfahrzeug herausnimmt und wieder verstaut? Dann waren am Schlauchturm außen das Besteigen der Drehleiter und innen ein Treppenlauf abwärts angesagt. Im Kriechgang wie im Atemschutzeinsatz robbten die Kameraden durch das Lager.

Schwitzen für einen guten Zweck: Es rinnt der Schweiß beim Saunagang in der Schutzkleidung.

Schwitzen für einen guten Zweck: Es rinnt der Schweiß beim Saunagang in der Schutzkleidung.

An der vierten Station ging es um den in der Jacke eingearbeiteten Sicherungsgurt. Dazu wurde getestet wie bequem sich der Preßluftatmer anlegen lässt und wie man dann mit und ohne Handschuhe an das Gurtsystem kommt. Zur Selbstrettung hängte sich jeder an ein Gerüst und zur Fremdrettung zogen sich die Kameraden eine kurze Strecke über den Boden der Fahrzeughalle.

Passform: Eine Kameradin der Kleiderkammer befragt die Tester, wie der Pressluftatmer sitzt und ob man Lampe und Funkgerät in den Taschen verstauen kann.

Passform: Eine Kameradin der Kleiderkammer befragt die Tester, wie der Pressluftatmer sitzt und ob man Lampe und Funkgerät in den Taschen verstauen kann.

Feuer ist heiß. Eine Durchzündung ist noch viel heißer. Wie gut hält es die Kleidung aus, wenn es heiß wird? Wieviel merkt davon ihr Träger? Das simulierte man, indem man sich mit dem Rücken vor einen Halogenscheinwerfer und vor einen Gasstrahler stellte. Notiert wurde die Zeit, bis sich die Hitze durch die Kleidung bemerkbar machte. Zugleich erfolgten die Messungen der Temperaturen am Körper und an der Jacke vor und nach dem Versuch. Ob das Gewerbe und die Reflexstreifen nach der intensiven Bestrahlung sichtbare Farbveränderungen oder Schäden aufwiesen, wurde ebenso geprüft.

Volle Hitze: Mit einem Gasstrahler wird die heiße Umgebung bei einem Innenangriff simuliert.

Volle Hitze: Mit einem Gasstrahler wird die heiße Umgebung bei einem Innenangriff simuliert.

Schlechtes Wetter kennt die Feuerwehr nicht. Wenn der Funkwecker zum Alarm pfeift und es draußen schneit, stürmt und aus Kübeln regnet, die Feuerwehr rückt immer aus. Beim Löschen bleibt es nicht aus, dass man angespritzt wird und die Kleidung außen nass wird. Daher ging es an der letzten Station um die Wasserdichtigkeit. Alle Kameraden standen mehrere Minuten unter einem Nieselregen aus einem Wasserschlauch. Beim Auskleiden wurde dann gefragt und geschaut, ob und wenn ja wo das Wasser durchdrückte.

Nieselregen: Außen nass, aber innen trocken, - so lautete die Erwartung an die Schutzkleidung beim Beregnungstest.

Nieselregen: Außen nass, aber innen trocken, – so lautete die Erwartung an die Schutzkleidung beim Beregnungstest.

Als ob das noch nicht reicht – für die Kleidung wie auch für ihre Träger –  haben einige Kameraden ihr persönliches Sport- und Fitnessprogramm statt in der luftiger und leichter Sportkleidung in der dicken Feuerwehrschutzkleidung absolviert und dabei die Körpertemperaturen und ihre Pulsfrequenz aufgezeichnet und ausgewertet.

In der Auswertung aller Tests kamen drei der fünf Modelle in die engere Auswahl. Die Entscheidung fiel dann zugunsten des Modells Fire Breaker Action X-TREME mit dem IB-Tex-Gewebe der österreichischen Firma Texport. Den Ausschlag gaben neben guten Noten der einzelnen Tests die von allen Kameraden als am besten gelobte Hose und die bequeme Jacke, die sich durch nützliche Taschen auszeichnet.

Nachdem die Dienstgrade den Tragetest ausgewertet und der Empfehlung von Kameraden Modrow und sein Helfern von der Kleiderkammer gefolgt waren, stieg die Ottobrunner Feuerwehr in die Verhandlungen mit dem Hersteller ein. Nach der fachlichen Auswahl folgte die Beschaffung. Diese lief reibungslos durch alle politischen Gremien. Zum einen hatte die Feuerwehr in ihrer mittelfristigen Finanzplanung den Bedarf frühzeitig angemeldet. Zum anderen erkannte jeder Gemeinderat den Bedarf optimaler Schutzkleidung für die Einsatzkräfte. Zudem hatte der Verwaltungsrat des Feuerwehrvereins aus Spenden und Fördermitgliedsbeiträgen einen Zuschuss von 30.000 € bereitgestellt.

Seinen Abschluss fand das Auswahlverfahren im November 2016 mit der Ausgabe der ersten 45 Sätze der neuen Schutzkleidung an die Atemschutzgeräteträger. Denn diese sind es, die in Hitze und Rauch eintauchen und sie brauchen den besten Schutz, den man ihnen bieten kann. Den Beitrag im Blog zur Einführung der Schutzkleidung lesen Sie hier:  http://blog.feuerwehr-ottobrunn.de/?p=1012